Wie metallhaltige Nanopartikel Zellen stressen können

03.04.2008

Jedes Jahr kürt die Fachzeitschrift "Environmental Science & Technology" aus mehr als 1200 Veröffentlichungen die besten wissenschaftlichen Arbeiten in den Bereichen Umweltwissenschaften, Umwelttechnologie und Umweltpolitik - also diejenigen, die "einen massgeblichen und lang anhaltenden Einfluss" auf das jeweilige Forschungsgebiet ausüben, wie die Herausgeber in der April-Ausgabe der Zeitschrift schreiben. Dieses Jahr wurde eine Zusammenarbeit zwischen der Empa und der ETH Zürich als beste Arbeit im Bereich Umweltwissenschaften ausgezeichnet. Darin klärten die Forscher einen Mechanismus auf, durch den metallhaltige Nanopartikel in menschlichen Lungenzellen oxidativen Stress auslösen können.

Kaum eine Technologie hat in den letzten Jahren eine derart breite Anwendung gefunden und von sich reden gemacht wie die Nanotechnologie. Vom leistungsfähigeren, nicht löschbaren magnetischen Datenspeicher über ultraleichte und trotzdem robuste Sportgeräte bis zu funktionalisierten Textilien - Nano allenthalben. Doch wie sicher ist die neue Technologie? Welches sind unbedenkliche Anwendungen, wo sollten wir Vorsicht walten lassen?

Neben der Entwicklung neuartiger Materialien mit verbesserten Eigenschaften dank "Nano" untersuchen die Empa und die ETH Zürich mit verschiedenen Partnerinstitutionen auch mögliche Gefahren, die in erster Linie von freien und "langlebigen" Nanopartikeln ausgehen können. Dabei stehen Fragen im Vordergrund wie: Welche Auswirkungen haben Nanopartikel auf menschliche und tierische Zellen und Gewebe? Was geschieht, wenn die Teilchen von diesen aufgenommen werden?

Eines der gängigsten "Versuchskaninchen" für toxikologische Untersuchungen sind Zellkulturen, die verschiedenen Chemikalien - oder eben Nanopartikeln - ausgesetzt werden. In einem Zelltest mit menschlichen Lungenzellen kam das Forscherteam der ETH Zürich und der Empa dem Mechanismus auf die Spur, mit dem bestimmte metallhaltige Nanopartikel Zellen "stressen" können - und erhielten erste Anhaltspunkte, welche Eigenschaft bestimmte Nanopartikel für Zellen potenziell gefährlich macht.

Entzündungsreaktionen und andere Zellschäden beginnen häufig mit "oxidativem" Stress, einer Überproduktion von reaktiven Sauerstoffverbindungen - zum Beispiel so genannte freie Radikale oder Peroxid; diese Substanzen können zelluläre Proteine und die DNA schädigen. Daher untersuchten die Wissenschaftler verschiedene metallhaltige Nanopartikel, die als Katalysatoren bei verschiedenen chemischen Reaktionen eingesetzt werden und sich in ihrer katalytischen Aktivität zum Teil deutlich unterscheiden, etwa Titanoxid-, Kobaltoxid- und Manganoxid-Partikel.

Es zeigte sich, dass katalytisch aktive Nanopartikel wie Kobaltoxid- und Manganoxid-Partikel die Zellen deutlich mehr unter Stress setzen als inerte Titanoxid-Partikel, die die Zellen kaum beeinträchtigen. Es scheint also in erster Linie die chemische Zusammensetzung der Partikel zu sein - und somit ihre chemische Reaktivität -, die Nanopartikel für Zellen gefährlich macht. Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, so Empa-Forscher Peter Wick, "könnte uns dies eine Art Dringlichkeitsliste liefern, welche Partikel als Erstes genauer unter die Lupe genommen werden sollten."

Erstaunlicherweise waren mangan- oder kobalthaltige Salzlösungen für die Zellen deutlich weniger schädlich; die Zellmembranen schützen die Zellen also vor gelösten Schwermetallionen. Werden die Zellen aber mit vergleichbaren Mengen von kobalt- oder manganhaltigen Nanopartikeln konfrontiert, dann bilden sie bis zu achtmal mehr von den reaktiven Sauerstoffverbindungen. Nanopartikel scheinen also die katalytisch aktiven Metalloxide in die Zellen zu "schmuggeln", wo sie dann oxidativen Stress verursachen können - weshalb die Forscher die Partikel mit einem "trojanischen Pferd" vergleichen.

Die Entwicklung von sicheren und nachhaltigen "Nano"-Anwendungen steht sowohl an der ETH Zürich als auch an der Empa im Zentrum der Grundlagen- und Anwendungsforschung. "Langfristig können wir die riesigen Vorteile der Nanotechnologie nur umsetzen, wenn wir parallel zur Technologieentwicklung immer auch eine Risiko- und Nachhaltigkeitsanalyse durchführen", so ETH-Forscher und Studienleiter Wendelin Stark. "Dabei nimmt interdisziplinäre Zusammenarbeit wie hier zwischen der ETH Zürich und der Empa eine Schlüsselstellung ein und erlaubt, Wissen aus verschiedenen Fachbereichen zu kombinieren."

Als Nächstes wollen die Empa-Forscher der Frage nachgehen, wie das menschliche Immunsystem auf Nanopartikel reagiert. In einem von der EU im 7. Rahmenprogramm geförderten Projekt, das Anfang 2008 anlief, untersuchen Forscher aus elf europäischen und US-amerikanischen Labors die Auswirkungen von Nanopartikeln auf T- und B-Zellen oder Makrophagen, die Fresszellen des Immunsystems. Aber auch komplexe Gewebesysteme wollen die Empa-Forscher etablieren, die eine realistischere Abschätzung der Gefährlichkeit von Nanomaterialien erlauben als reine Zellkulturen.

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