Bio-Milch: Neues Verfahren unterstützt Echtheitsprüfung
Die Zusammensetzung von Milch wird erheblich durch das aufgenommene Futter bestimmt. Aufgrund des wechselnden Futterangebots spielen dabei auch jahreszeitliche Schwankungen eine wichtige Rolle. Der wissenschaftliche Ansatz war deshalb darauf ausgelegt, charakteristische Merkmale von Bio-Milch ausfindig zu machen, die sich aus der besonderen Fütterung von Bio-Kühen ergeben und auch über einen längeren Zeitraum möglichst saisonal unabhängig eine Abgrenzung von konventionell erzeugter Milch gewährleisten. Im Rahmen der durchgeführten Forschungsarbeiten wurden die gaschromatographische Analyse der Fettsäurenzusammensetzung sowie die massenspektrometrische Bestimmung des Stabilisotopen-Verhältnisses von Kohlenstoff (delta-13C) und Stickstoff (delta-15N) eingesetzt.
Die Analyse stabiler Isotope beruht darauf, dass jedes der in Biomasse hauptsächlich vorkommenden chemischen Elemente jeweils aus unterschiedlich schweren Atomen - den Isotopen - besteht, die sich nur durch die Anzahl der im Kern enthaltenen Neutronen unterscheiden. Da stabile Isotope nicht radioaktiv zerfallen, wird ihre relative Häufigkeit in der Natur im wesentlichen durch physikalische oder biochemische Prozesse beeinflusst. So können Futterkomponenten in Form der Stabilisotopen-Verhältnisse unterschiedliche Fingerabdrücke ihrer Herkunft enthalten, die sich dann anteilig in der Milch widerspiegeln.
Während einer 18-monatigen Probenahme wurden rund 250 ökologisch und konventionell erzeugte Vollmilchproben aus dem Einzelhandel untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass eine extensivere Haltung mit einem hohen Anteil an Weidefutter einschließlich Heu und Grassilage und geringerem Einsatz von Kraftfutter, wie sie für den ökologischen Landbau typisch ist, zu einem charakteristisch erhöhten Gehalt der Omega-3-Fettsäure alpha-Linolensäure im Fett von Bio-Milch führt. Ein hoher Maisanteil im Futter, wie er vor allem in der leistungsorientierten konventionellen Milcherzeugung vorkommt, spiegelt sich dagegen in einem ganzjährig höheren delta-13C-Wert des Milchfettes wider, da Mais als sogenannte C4-Pflanze mehr schweren Kohlenstoff enthält als C3-Pflanzen wie etwa Gras oder Klee.
Trotz der produktabhängigen und jahreszeitlichen Schwankungen der Milchfettzusammensetzung konnten ganzjährig gültige Schwellenwerte für die Identifizierung von Bio-Milch definiert werden. Danach sollte Bio-Milchfett mindestens 0,50 Prozent alpha-Linolensäure enthalten und einen delta-13C-Wert von maximal 26,5 Promille aufweisen. Höhere Gehalte an alpha-Linolensäure können bei extensiverer, Grünland basierter Fütterung im Sommer gelegentlich auch bei konventioneller Milch vorkommen. Der delta-13C-Schwellenwert wurde in der Studie jedoch nur von einer konventionellen Probe unterschritten. In Milcherzeugergebieten, in denen Mais als Futterpflanze keine Rolle spielt, wären für konventionelle Milch allerdings regelmäßig niedrigere Werte zu erwarten. Eine Überprüfung und Anpassung der Schwellenwerte muss in der Praxis der Lebensmittelkontrolle erfolgen.
Die ermittelten Kenngrößen erlauben zwar keine 100-prozentige Unterscheidung zwischen Bio-Milch und konventioneller Milch, sie können aber insbesondere durch Kombination der zwei unabhängigen Parameter ein Großteil konventionell erzeugter Milch abgrenzen. Eine verbesserte Unterscheidung ist bei Kenntnis des Produktionsdatums möglich, da jahreszeitliche Schwankungen zu parallel verschobenen Veränderungen in beiden Milchsorten führen. Die vorgeschlagenen Schwellenwerte gelten für in Deutschland erzeugte Sammelmilch, denn Milch einzelner Höfe unterliegt teilweise stärkeren kurzfristigen Schwankungen. Aufgrund der beschriebenen Grenzen erlaubt das Verfahren allein noch keine gerichtsfesten Aussagen, liefert aber im begründeten Verdachtsfall wertvolle ergänzende Indizien. Die Übertragbarkeit des Verfahrens auf verarbeitete Milchprodukte wird noch untersucht, da hier neben technologischen Einflüssen auch ausländische Rohstoffquellen zu berücksichtigen sind.
Originalveröffentlöichung: Joachim Molkentin; Journal of Agricultural and Food Chemistry 2009, 57, 785-790