Klimafreundliche Carbonsäuren
Die Elektrifizierung biotechnologischer Verfahren galt bisher als wenig praktikabel - Das könnte sich jetzt ändern
RWTH Aachen
Aus der Industrie ist der Einsatz von Carbonsäuren nicht wegzudenken: Sie sind Bestandteil von Gummis, Kunststoffen und Lacken, von Pflanzenschutzmitteln und Medikamenten. Das Problem: Für ihre Herstellung braucht es entweder fossile Rohstoffe und zumindest Wärme, die aus dem fossilem Brennstoff Erdgas gewonnen wird. Zudem fallen bei der Produktion große Mengen Abfall an: So werden im Prozess Kalk und Schwefelsäure zugegeben, um während der Herstellung das Säure-Verhältnis richtig einzustellen. Als Abfall entsteht dabei Gips, der allerdings keine weitere Verwendung findet – also landet er im Müll. An der Lösung beider Probleme haben sich in der Vergangenheit bereits viele Forscher-Teams versucht. Sinnvolle Alternativen gibt es bisher jedoch noch keine: Entweder sind die entwickelten Verfahren zu kleinteilig oder nicht im industriellen Maßstab anwendbar.
Die Elektrifizierung biotechnologischer Verfahren zur Herstellung von Carbonsäuren galt daher bisher als nicht praktikabel. Das könnte sich jetzt ändern: Partner im Kopernikus-Projekt SynErgie haben einen Ansatz entwickelt, der beide Probleme löst: Mithilfe eines elektrochemischen Verfahrens konnten Forscher der Aachener Verfahrenstechnik (AVT) an der RWTH Aachen sowohl die Verwendung von Erdgas als auch den anfallenden Abfall nahezu komplett umgehen. Möglich ist das durch ein Verfahren, das Verfahrenstechniker pH-swing nennen.
So ist bei der Herstellung von Carbonsäuren das Wichtigste die zwischenzeitliche Anpassung des pH-Werts. Statt Wärme und Gips nutzen die Aachener Wissenschaftler dazu nun einen Wasser-Elektrolyseur. Mit seiner Hilfe lässt sich der pH-Wert ebenfalls beeinflussen. Ohne fossile Rohstoffe und ohne große Mengen Gips-Abfall. Dafür entsteht während der Produktion Grüner Wasserstoff, der zentral ist für die Energieversorgung der Zukunft.
Die Innovation der Aachener Forscher könnte dabei helfen, die Chemieindustrie klimafreundlicher zu gestalten und unnötigen Ressourcenverbrauch zu reduzieren. Dass das Verfahren funktioniert, zeigten die Wissenschaftler zunächst in ihrem Aachener Labor am Beispiel der Itaconsäure. Zusammen mit dem Chemiekonzern BASF bauen die Aachener nun eine Versuchsanlage im Technikums-Maßstab. Besteht das Verfahren diesen Test, kann es in eine Pilotierung für die industrielle Anwendung gehen. Die SynErgie-Forscher sind zuversichtlich.
Das Kopernikus-Projekt SynErgie
Wind und Sonne liefern Strom nicht regelmäßig, sondern schwankend: Mal steht mehr Strom zur Verfügung als tatsächlich gebraucht wird, mal zu wenig. Das Kopernikus-Projekt SynErgie untersucht, wie die Industrie helfen kann, diese Schwankungen auszugleichen, indem die Industrie ihre Nachfrage flexibel an das Stromangebot anpasst – ihren Stromverbrauch also bewusst steigert oder senkt – ohne, dass die Qualität der Produkte darunter leidet.
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