Firmenübernahmen: Niederlande fürchten um ihr Tafelsilber

Erst Unilever und nun Akzo Nobel: Vor allem US-Konzerne wollen niederländische Firmen übernehmen

05.05.2017 - Niederlande

(dpa) «Aasgeier und Hyänen» sichtete der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem unlängst in seinem Land. Ausländische Konzerne hätten eine begehrte Beute im Visier: attraktive Unternehmen im eigenen Land. Die Käufer, so warnte Dijsselbloem unlängst, «wollen Betriebe kaputt machen».

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Jüngstes Beispiel für die gefürchteten Übernahmen: der heftige Streit um den Farbenkonzern Akzo Nobel. Das niederländische Unternehmen ist ein verlockendes Ziel für den amerikanischen Konkurrenten PPG, der für Akzo Nobel rund 26,5 Milliarden Euro bietet. Es ist bereits das dritte Angebot der Amerikaner, und diesmal ist es das letzte «freundliche», so hatte PPG Ende April gedroht. Wenn Akzo Nobel weiter «Nee» sage, dann folge eine feindliche Übernahme - also gegen den Willen des Managements.

Der Vorstandsvorsitzende des Konzerns, Ton Büchner, und sein Aufsichtsratschef Antony Burgmans bleiben bisher hart. Akzo prüfe das Angebot eingehend, teilten sie mit. «Aber wir lassen uns nicht hetzen.»

Im Fall Akzo Nobel sehen Kritiker ein Schreckensszenario: Das große Kapital bedroht Tausende von Arbeitsplätzen in den Niederlanden. Soweit ist es zwar noch lange nicht. Aber Politik, Gewerkschaften und Unternehmensführung fürchten schon das Schlimmste.

Akzo Nobel ist mit einem Umsatz von 14,2 Milliarden Euro und 45.000 Arbeitnehmern weltweit kein kleiner Fisch. Und es ist nicht das erste niederländische Unternehmen, das sich gegen eine Übernahme wehren muss. Im März war der britisch-niederländische Konsumgüterkonzern Unilever ins Visier des US-Konzerns Kraft Heinz geraten. Doch der Margarine- und Waschmittelhersteller schlug das Angebot der Amerikaner aus - die geplante Übernahme platzte. Und im vergangenen Jahr konnte die niederländische PostNL den Angriff der belgischen BPost verhindern.

Der Trend zu großen Übernahmen - nicht nur in den Niederlanden - hat viele Gründe. Die Wirtschaftskrise in dem Land ist vorbei. Weil die Zinsen niedrig sind, können Firmen selbst Milliardenkredite für Zukäufe günstig finanzieren. Und europäische Unternehmen werden für US-Konzerne wegen des für sie relativ niedrigen Euro-Kurses zum Dollar zusätzlich attraktiv.

Doch die Fälle Unilever und Akzo Nobel haben die Niederländer alarmiert. Der Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes VNO-NCW, Hans de Boer, sprach etwa von einer Bedrohung für das Land. «Über diese Konzerne haben wie starke ökonomische und politische Netzwerke weltweit», sagte de Boer. Wenn Konzerne wie Unilever, Philips oder Akzo Nobel vollständig in ausländische Hände gerieten, würden die Niederlande an Einfluss verlieren.

Diese Gefahr sieht auch die Politik. «Es ist wichtig, dass große niederländische Konzerne ihre Leitung in den Niederlanden haben», betonte kürzlich Wirtschaftsminister Henk Kamp.

Das aber hilft den betroffenen Firmen wenig. Im Vergleich zu anderen Ländern seien Betriebe in den Niederlanden vor feindlichen Übernahmen schlecht geschützt, kritisieren Experten. «Wir sind die Doofen von Europa» sagte der Finanzprofessor Willem Vermeend. Da es keine staatlichen Schutzmauern gebe, entscheide «am Ende der große Sack mit Geld».

Das weiß der Vorstand von Akzo Nobel, der unter starkem Druck steht - etwa vom aggressiven US-Anlegerfonds Elliott. Der fordert, dass das Unternehmen mit PPG verhandelt. Akzo ging in die Gegenoffensive, will seine Chemiesparte verkaufen und eine höhere Dividende ausschütten. Der Plan wurde aber im April von den Aktionären zögerlich entgegen genommen. Sie können schließlich dank des Angebots von PPG auf einen noch größeren Vermögenszuwachs hoffen.

Angesichts des langwierigen Akzo-Streits machen nun Parlament, Gewerkschaften und Unternehmer Druck. Die Regierung arbeitet bereits an einem Gesetz, das die für die Infrastruktur und Sicherheit wichtigen Unternehmen des Landes besonders schützen soll.

Doch Politik und Arbeitgeber drängen zusätzlich auf eine gesetzlich verankerte Bedenkzeit von einem Jahr bei allen feindlichen Übernahmen. Das würde bedrohten Unternehmen Zeit verschaffen. Es müsse starke Schutzkonstruktionen geben, sagte etwa Jeroen van der Veer, der ehemalige Chef des Energiekonzerns Royal Dutch Shell, dem Radiosender BNR: «Feindliche Übernahmen sind die dunklen Seiten des Kapitalismus.»

Investoren an der Börse halten diese Vorschläge für eine falsche Abschottung. Doch langfristig könnten die Pläne Realität werden. Für den Farbenkonzern Akzo Nobel könnte das zu spät sein.

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